
Gedanken an Ouroboros in einer Altbauwohnung
Jede Gesellschaft unterliegt notwendigerweise einer gewissen Form von Disziplin – gewissen Regeln dafür, was getan werden muss und was nicht getan werden darf.
Dieser unumstößliche Grundsatz hat jedoch schon lange in unserer kulturellen Sphäre an Gültigkeit verloren. Für die Kunst formuliert es Tom Germershausen treffend: „Alles muss. Nichts kann.» Während in uns der Drang wächst, alles können, wissen und erleben zu wollen, stürzen wir uns wieder und wieder auf Neues. Die inhärente Wiederholung dieser Bewegung übt uns paradoxerweise nur in der oberflächlichen Begegnung mit scheinbar Neuem. Es erreicht uns so viel vermeintlich Neues, dass uns nichts mehr wirklich neu erscheint und wir uns in einem selbstbestätigenden Kreislauf wiederfinden. Beim Versuch, alle Grenzen von Regeln und Disziplinen zu sprengen, geht der Geist auf ewige Wanderschaft und findet sich im besten Fall in einem unendlichen Raum wieder, in dem jeder Anfang gleichzeitig das Ende ist.
Ouroboros, die Schlange, die sich selbst verschlingt, symbolisiert Ewigkeit sowie den Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt. Sie wird zum Abbild einer verantwortungsbewussten Gesellschaft am Abgrund, die sich aus gefühlter Machtlosigkeit lachend in diesen hineinwirft.
Ikonographisch und kulturell ist die Schlange in der Geshcichte der Menscheit geprägt von einem starken Dualismus.. Sie steht für Wissen, Weisheit, Transformation, Wiedergeburt, Heilung, Medizin, Fruchtbarkeit und Lebenskraft, aber auch für Versuchung, Sünde, Tod, Zerstörung, Chaos und unberechenbare Wildheit. Diese Ambivalenz macht sie zum perfekten Symbol für unsere Zeit der Widersprüche.
In den Bildern Jonah Baches begegnet sie uns häufig mit drohend aufgerissenem Maul, kurz davor, etwas zu verschlingen. Das Besondere an vielen Schlangen ist ihre Fähigkeit, ihren Kiefer auszuhaken, um Beutetiere in sich aufzunehmen, die 75-100% ihres Eigengewichts ausmachen. Diese physische Eigenschaft wird bei Bache zur Metapher: Mal sind wir selbst die Schlange und bekommen den Hals nicht voll, bis wir «junked out» komatös vor uns hinvegetieren. Ein anderes Mal werden wir von allen Seiten verschlungen und wissen nicht, ob überhaupt noch etwas von uns übrig ist. Diese Dualität mit ihren inhärenten Gegensätzen, gleicht der omnipräsenten Doppelmoral und ziert unser tägliches Denken und Handeln.
Der gliederlose, schlängelnde Körper der Schlange findet sich auch in der erzählenden Form der Arbeiten wieder. Präsentiert ohne Abstände, Kante an Kante, entfaltet sich ein visuelles Feld, das einen zu verschlingen droht. Baches Werk oszilliert zwischen verschiedenen Stilgruppen, die immer wiederkehren – somit bricht er scheinbar mit der erwarteten Kontinuität einer akademischen Kunstkultur und doch nicht ganz. Dieses bewusste Changieren und Jonglieren von inhärenten Gegensätzen im Werk spiegelt den «very delusional», den sogenannten «Delulu»-Zustand zeitgenössischer Existenzen wider.
In seinen Zeichnungen verschmelzen Text und Bild zu einem organischen Ganzen. Sie schlängeln sich durch die Kompositionen, werden Teil der visuellen Sprache und verstärken die Unausweichlichkeit der Botschaft. Die intensive oft naiv kindliche Farbgebung,verstärkt die emotionale Direktheit der Arbeiten. Wie die Ouroboros-Schlange scheinen auch diese Bilder endlos ineinander überzufließen, ein visueller Strom ohne klaren Anfang oder Ende.
Das Werk wird so zur zeitgenössischen Interpretation eines archaischen Symbols: In einer Welt des scheinbar grenzenlosen Konsums und der permanenten Selbstoptimierung zeigt Jonah Bache die Schlange als Spiegel unserer eigenen Unersättlichkeit. Seine Kunst offenbart den Kreislauf von Gier und Leere, von Verschlingen und Verschlungenwerden, der unsere Gegenwart prägt.

Märchenstunde- Morgenstund hat Gold im Mund 2024

Kaltblüter 2024

Zum Leben Verurteilt 2024

Halbstarker 2025

Familienportrait nach klassischem Modell 2024

Manchmal Pappe schon ok an sich 2024

Einen totel Gaul durchs Ziel reiten 2024

Abgang in Würde 2024

Moderne Tiere 2024

Selbstportrait / Drappiert 2024

Spannungsfelder wie früher 2025

Verjüngende Spirale 2025

Bleihut 2025

Untitled 2024

Narrenzwirn 2025

Auf Biegen und Brechen 2025

Natter & Apfel 2025

Das Ei war vor der Welt da 2025

Morelia viridis - Biak 2024
Thoughts on Ouroboros in an Old Apartment
Every society is inevitably bound by a certain form of discipline – by rules that dictate what must be done and what must not be done. Yet this immutable principle has long since lost its validity within our cultural sphere. As Tom Germershausen aptly puts it in relation to art: “Everything must. Nothing can.”
As our urge grows to be able to do, know, and experience everything, we hurl ourselves time and again toward the new. The inherent repetition of this movement paradoxically trains us only in the superficial encounter with the seemingly novel. So much that appears new reaches us that, in the end, nothing feels truly new at all. We find ourselves trapped in a self-affirming cycle. In the attempt to shatter all boundaries of rule and discipline, the mind embarks on an eternal journey – finding itself, at best, in an infinite space where every beginning is also an end.
Ouroboros, the serpent devouring its own tail, symbolizes eternity and the cyclical nature of life, death, and rebirth. It becomes the image of a society teetering on the edge – aware of its own powerlessness, yet laughing as it plunges willingly into the abyss.
Iconographically and culturally, the serpent has always been marked by deep dualism. It stands for knowledge, wisdom, transformation, rebirth, healing, medicine, fertility, and life force, but equally for temptation, sin, death, destruction, chaos, and untamed wildness. This ambivalence makes it the perfect emblem for our contradictory age.
In Jonah Bache’s paintings, the serpent often appears with its jaws menacingly agape – moments before consuming its prey. Many snakes have the physical ability to unhinge their jaws to swallow animals up to 75–100% of their own body weight. In Bache’s work, this becomes metaphor: at times, we are the serpent ourselves, insatiable, devouring until we end up junked out, vegetating in a kind of comatose excess; at other times, we are the ones being consumed from all sides, unsure whether anything of us remains. This duality – its inherent contradictions – mirrors the omnipresent double standards that define our daily thought and action.
The limbless, sinuous body of the serpent also finds resonance in the narrative form of Bache’s works. Presented without spacing – edge to edge – they unfold into a visual field that seems ready to swallow the viewer whole. His work oscillates between recurring stylistic modes, seemingly breaking with the expected continuity of academic art culture, yet never entirely abandoning it. This conscious shifting and juggling of opposites reflects the “very delusional,” or “delulu,” state of contemporary existence.
In his drawings, text and image merge into an organic whole. Words wind through the compositions, becoming part of the visual language, amplifying the inevitability of the message. The intense, often naïvely childlike use of color reinforces the emotional immediacy of the work. Like the Ouroboros serpent, these images seem to flow endlessly into one another – a visual current without clear beginning or end.
In this way, Bache’s work becomes a contemporary interpretation of an archaic symbol. In a world of seemingly boundless consumption and perpetual self-optimization, he presents the serpent as a mirror of our own insatiability. His art reveals the cycle of greed and emptiness, of devouring and being devoured, that so profoundly defines our present condition